Trainer Rafael Benitez gab auf der abschließenden Pressekonferez nach dem knappen 1:0 Sieg über den FC Granada zu verstehen, dass seine Mannschaft „Konzentration, Intensität und Qualität bewiesen“ hat. Er gab aber auch etwas kryptisch zu verstehen, dass nicht alles perfekt war: „Aber heute habe ich eine Mannschaft gesehen, die Probleme hatte, die Partie zu lesen.“
Wir schauen uns die Partie noch einmal etwas genauer an und konstatieren: Das Spiel hätte man in der ersten Halbzeit schon bereits sicherer gestalten können.
Das 4-4-2 in der Tiefe
Benitez sprach es bereits in der Presskonferenz vor der Partie an und sollte sein Wort halten: „Die Verletzung von Bale gibt mir die Chance ein neues System zu testen.“ Richtig „neu“ ist das System vom 4-4-2, das sich in der Offensive wie ein 4-2-2-2 anfühlte, nicht – auch nicht für Real Madrid unter Benitez. Immer wieder versuchten die Königlichen durch tiefe Stellungsspiele auf den Außen den Block von Granada zu umspielen, wie man es hier über links durch Marcelo und Isco anfangs erkennen konnte.
Allerdings ein 4-4-2 ohne Pressing
Stark gepresst wurde Granada allerdings nicht. Was man in den anderen Spiele in La Liga noch phasenweise stark durchsetzen konnte, war gegen Granada überhaupt nicht zu sehen. Im 4-4-2 hatte man mit nur zwei Stürmern zu wenige Spieler gegen die Viererkette zur Verfügung, um intelligent zu pressen – weshalb man gleich komplett darauf verzichtete. Man holte sich den Ball im zweiten Drittel durch hohe Positionierungen der Außenverteidiger. Gerade Marcelo konnte hier immer wieder Bälle erobern.
Zonenpressing bei Real Madrid
In einigen Zonen im Zentrum war dann ein Einkesseln des Gegners gewollt. In dieser Szene macht Benzema fallend im zweiten Drittel Druck, während Vazquez die Drehung nach vorne schließt. Toni Kroos schaltet sofort richtig und erkennt die letzte Lösung für Granada: Die Drehung nach oben Rechts. Dort sprintet Kroos sofort in den Raum, um den Gegner zum Abdrehen zu zwingen.
Die Andalusier spielten frech und positionierten in diesen Szenen sogar riskant ihre beiden Außenspieler weiter vorne, was ihr 4-2-3-1 anfangs sogar in der offensive zu einem 4-3-3 formierte.
Marcelo rettet in letzter Sekunde
So entstanden sogar einige Szenen mit denen Real Madrid zu kämpfen hatte. Allen voran die Hereingabe, die nur durch einen letzten Krafteinsatz von Marcelo gestoppt werden konnte. Der Brasiliener erwischte einen guten Tag, trotz einiger taktisch bedingter Stellungsfehler. Varane hat hier im Rücken einen Gegenspieler, den er kaum antizipieren konnte.
Granada erzielte von der anderen Seite nach genau so einer Situation ein Abseitstor, das unrechtmäßig aberkannt wurde. Real Madrid hatte an jenem Abend Glück, dass keine zweiten Bälle im Rückraum der Abwehrkette verwertet wurden. Die Kombi Kroos-Modric ist hier auch nicht in der Lage schnell den Zwischenlinienraum zu schließen.
Zonen hinter Außenverteidigern gefährlich
Die Achillesferse von Real Madrid ist daher auch seit jeher das defensive Flügelspiel. Durch die tiefe Positionierung der Außenverteidiger in der gegnerischen Hälfte, erzielte man zwar eine Kompaktheit im zweiten Drittel, doch war diese Phalanx einmal überspielt, gab es viel grün für Granada zu verwerten. Gerade in der Anfangsphase versuchte Granada so direkt ein Tor zu erzielen, um sich dann über die Zeit zu retten. Glücklicherweise blieb der Rückstand aus.
Granada mit drei offensiven Spielern
Spätestens hier wird klar wie offensiv und riskant Granada spielte. Man konzentrierte sich fast ausschließlich auf die Flügel und überließ das Zentrum den Blancos. Die Herausforderung war es an den beiden Achsen Marcelo/Isco und Carvajal/Vazquez vorbeizukommen, die im Vergleich zum 4-3-3 letzte Saison wesentlich kompakter standen. Doch dann wechselte Real Madrid das taktische Paradigma.
Isco-Rochade ermöglicht…
Erst eine Rochade von Vazquez und Isco, ab der 30. Minute, verursachte Komplikationen bei der Defensive von Granada. Der Publikumsliebling, der James ersetzen sollte, spielte eine gute Partie, wenn auch keine herausragende. Immer wieder kurbelte Isco zwar das Spiel an und steckte den ein oder anderen Ball durch, doch so richtig Fahrt aufnehmen konnte er nicht.
In dieser Szene glänzte er aber nach dem Positionstausch mit Stürmerqualitäten. Im Zentrum des Sechzehners zog er bis zur Grundlinie durch und bot sich an. Mit seinem Zug zum Tor konnte er einen Innenverteidiger binden und Cristiano Ronaldo Optionen geben.
…Topchance durch Modric
Die Unordnung, durch die neue Zuweisung in der temporären Manndeckung, ermöglicht Modric als Box-to-Box Spieler die Gunst der Stunde zu nutzen und in den Strafraum durchzustoßen. Ronaldo liefert den Ball auf dem Silbertablett, doch der Kroate schießt Andres Fernandez, der einen sehr guten Tag erwischte, direkt zentral an und verpasst die Chance auf die Führung.
Wechsel zwingt Granada in Defensive
Durch diese Umstellung wurden die letzten 15 Minuten der ersten Halbzeit dominiert. Kroos rückte wieder etwas defensiver als Unterstützung der Abwehr und Modric erzeugte Bindung im zweiten Drittel zur Offensive. Dort stand man nun offensiver und verschob in Richtung des gegnerischen Tores. Granada erkannte das Momentum der Königlichen und spielte nun defensiver im 4-4-2.
Isco verpatzt Topchance
Ein weiterer Höhepunkt gelang durch eine Überlagerung auf der linken Seite, wo mit Marcelo, Vazquez und Ronaldo nun drei zweikampfstarke Spieler agierten. Benzema ließ sich, typisch für ihn, einige Meter fallen, um am Spielgeschehen teilzunehmen und bekam den Ball von links. Der Innenverteidiger ging die Schritte mit und es klaffte ein Loch, das nun der Linksverteidiger von Granada Biraghi stopfen musste.
Fehlerkette ermöglicht Isco-Chance
Erst durch diese Kette an Ereignissen konnte Isco den Raumgewinn um sich verbuchen und den Ball von Benzema perfekt serviert bekommen. Isco aber dachte offensichtlich zu viel nach und konnte sich nicht instinktiv für einen Schuss oder ein Zuspiel entscheiden. Am Ende landete der Schuss, der wie eine halbe Flanke aussah, neben dem Tor.
Tor nach der Halbzeit ermöglicht offenes Spiel
Durch das Tor von Benzema nach einer idealen Isco-Flanke von links, die ohne taktische Besonderheiten gelang, drehte das Spiel endlich zu Gunsten der Blancos. Granada konnte nicht mehr abwarten und Real Madrid mehr Fokus auf die Defensive legen.
Das 4-4-2 mit Isco links und Vazquez rechts sah nun kompakter aus, obwohl es durch die Abstände zur Abwehrkette immer wieder von den Innenverteidigern abverlangte den Raum zu schließen. Varane verlässt hier die Kette, um den Spieler zu stellen. Bei besserer Positionierung der Offensive von Granada, ermöglicht dies dem Gegner meist großere Räume. Unter Pep Guardiola waren solche Spielzüge gegen Real Madrid meist mit einem Messi-Abschluss, als falsche 9, in dieser Zone begleitet. Doch Granada ist nicht Barcelona.
Führung bringt Ballbesitz und Sicherheit
Mit der Herausnahme von Benzema für Cheyshev, war Ronaldo dann endgültig der Solo-Stürmer am Feld. Vazquez und Cheryshev sollen klar am Flügel für Kompaktheit sorgen und defensiv dicht machen. Das 1:0 wurde dem Team von Benitez immer sympathischer und das Spiel plätscherte zunehmend vor sich hin.
Krönung das 4-5-1
Gegen Ende veranschaulichte dieses Bild die Idee hinter dem letzen Wechsel von Benitez, der für Isco Casemiro brachte. In einem 4-5-1 verteidigte nun jeder, bis auf Ronaldo, hinter dem Ball. Die Kompaktheit war für Granada dann nicht mehr zu überbrücken und die Königlichen fuhren einen Sieg ein.
Ersten 30 Minuten hätten Spiel entschieden
Granada hatte in den ersten 30 Minuten aber die klar bessere Ausrichtung am Feld. Die Andalusier brachten die Blancos mit ihrer breiten Formation in Bedrängnis und konnten mit gefährlichen Gegenstößen sogar fast in Führung gehen. Dann wäre die Partie ungleich schwerer geworden. Von der 30. Minute bis zur Halbzeit hätten aber wiederum die Blancos ein bis drei Tore erzielen können und Granada direkt die Heimreise antreten lassen.
Am Ende sorgte ein Geistesblitz von Benzema und Isco für den knappen Sieg, der am gegen Schluss sogar staubtrocken und auch mit defensiven Wechseln eiskalt eingefahren wurde. Das ist der wohl größte Unterschied zwischen Benitez und seinem Vorgänger Ancelotti. Bei einer Führung ist man sich nun nicht mehr zu schade auch Offensivspieler runterzunehmen und ein 1:0 einfach zu halten, anstatt weiter spektakulär auf einen 4:2 Heimsieg zu gehen.
Ob dies den Fans auf Dauer gefallen wird, bleibt abzuwarten, doch es ermöglichte einen seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Defensivrekord von fünf Spielen in Folge zu Null.
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